Letzte Nacht habe ich nicht besonders gut geschlafen. Es liegt in meiner Natur, dass ich Sachen, die unangenehm sind, schnell erledigt haben will. Und eigentlich konnte ich es nicht mehr erwarten, zur heutigen Untersuchung zu gehen.
Die Ungewissheit ist der Antrieb dafür. Auf jeden Fall konnte ich gegen Morgen dann doch noch ein wenig Schlaf nachholen und wieder war mein ersten Blick, nach dem Aufwachen, nach links. Wieder Doppelbilder. Keine Verbesserung. Das nervte jetzt schon ein wenig.
Ganz besonders bei der morgendlichen Rasur fällt mir auf, dass etwas nicht stimmt, denn sobald ich meinen Kopf nach rechts drehe, um meine linke Gesichtshälfte zu rasieren, sehe ich alles doppelt. Mein Gesicht, meine Hand, den Rasierer und alles, was sich im Spiegel so spiegelt. Ein unglaublich irritierendes Bild, welches sich nur ausschalten lässt, wenn ich mein rechtes Auge schließe.
Zum Glück sehe ich geradeaus keine Doppelbilder, denn dann wäre der Weg zum Internisten wohl etwas beschwerlich. Um 9 Uhr hatte ich meinen Termin und so machte ich mich bereits um 8:30 auf, zum 10 Minuten entfernten Arzt. Mir ist noch nie aufgefallen, wie sehr man auch beim Blick nach vorne, auch alle anderen Blickwinkel scannt. Jetzt fällt es mir auf, denn für den Weg zum Internisten benötige ich 15 Minuten, da ich mich sehr unsicher fühle auf der Straße.
Dennoch war ich 15 Minuten vor meinem Termin vor Ort und hatte nur gefühlte 100 Menschen vor mir. Es war furchtbar voll und kein Sitzplatz frei. Das Stehen in einem engen Raum, wo sich permanent etwas bewegt, ist ziemlich unangenehm und schlägt sich irgendwie auf den Magen. Es verursacht so ein flaues Gefühl und ich war echt froh, als einer der besetzten Plätze frei wurde.
In dem Moment, als ich diesen einnahm, öffnete sich die Tür und ein älterer, etwas fülligerer Herr betrat die Praxis. Er war älter als ich. Sollte ich aufstehen und mich selbst wieder dem flauen Gefühl im Magen aussetzen? Ich bin doch schon eine halbe Stunde gestanden – auf der anderen Seite war er älter als ich. Ich blickte mich kurz um und obwohl ich sicher nicht der jüngste im Raum war, fühlte ich mich irgendwie so und stand auf, um dem Mann Platz zu machen.
In diesem Moment hatte ich ein ganz eigenartiges Gefühl. Ich fühlte mich jung, aber durch meine momentane Einschränkung zumindest auch so alt, dass mir einer der jüngeren Menschen durchaus seinen Platz anbieten hätte können. Ich überlegte, ob ich einen dieser Menschen darauf ansprechen sollte, doch bevor es soweit kam, öffnete sich die Tür zum Behandlungszimmer und ich hörte meinen Namen.
Dann ging es relativ schnell. Mir wurden die üblichen Fragen gestellt, ob ich rauche, ob ich einen Herzschrittmacher habe oder bekannte Herzerkrankungen und ähnlich. Eine Frage jedoch verunsicherte mich in der Beantwortung. „Trinken Sie Alkohol?“ Ja was soll man da jetzt sagen? Wo liegt denn hier die Messlatte? „Mal ein Glas Wein zum Essen“, erwiderte ich, um es irgendwie wahrheitsgetreu zu beantworten. „Also regelmäßig“, ergänzte die Frau, die mich anschließend verdrahtete und ein EKG erstellte. „Soweit alles unauffällig“, sagte sie zum Ende – und das obwohl ich regelmäßig trinke. 🙂
Jetzt ging ich ein Zimmer weiter zum Kardiologen, der sich zunächst meine Geschichte genau anhörte und dann ein Carotisultraschall machte, um etwaige Gefäßwandablagerungen, Verkalkungen und Störungen im Blutfluss in der Hauptschlagader zu lokalisieren. Nichts! Alles ok! Das war natürlich schon mal eine gute Nachricht, die mir der Arzt mit den Worten: „Sie haben eine körperliche Fitness wie ein Sportler“, vermittelte.
Natürlich habe ich einen sportlichen Körper, ich betreibe ja auch Sport. Doch beim Durchqueren des Warteraums und Verlassen der Praxis fühlte ich mich irgendwie wieder wie ein alter Mann – das war vor ein paar Tagen noch ganz anders. Und wie meine unmittelbare Zukunft ohne Sport und Tanzen aussehen könne, beschäftige mich auch das bevorstehende Wochenende.