Knapp nach meiner Aufnahme im Krankenhaus schrieb eine Freundin: „Schön, dass du wieder der Alte bist.“ Im ersten Moment ärgerte ich mich darüber, denn ich sah alles doppelt, hatte Lähmungserscheinungen in der rechten Körperhälfte und vor allem hatte ich eine lebensgefährliche Blutung im Kopf, die man so leicht nicht loswerden würde. Ich war alles andere als „der Alte“.
Warum ärgerte ich mich darüber? Wäre ich der Alte gewesen, wäre ich mal schnell 10 Kilometer gelaufen, dann in die Arbeit gegangen, am Abend Salsa tanzen und hätte sonst auch noch viel unternommen mit meinen Freunden und vor allem mit Helga. Dass sie das nicht erkannt hatte, ärgerte mich.
„Ich war wirklich nicht der Alte“
In dieser Zeit wollte ich nur an mich denken und ich hatte eine Begabung zur Seite geschoben, die mich als Mensch – so sagen es zumindest die anderen – sehr wertvoll macht. Ich denke mich immer sehr stark in andere Menschen hinein. Um zu verstehen, was sie fühlen, um ihnen eventuell auch einen guten oder zumindest gut gemeinten Rat zu geben, um Missverständnisse zu klären und um zu verstehen, warum sie was sagen.
So dauerte es in diesem Fall ein paar Tage, bis ich mich wieder im Griff hatte. Nun las ich die Zeilen dieser Freundin immer und immer wieder und auch das, was sie davor und danach geschrieben hatte. Und bald schon war mir klar, dass was sie mir sagen wollte war, dass es schön ist, dass ich meinen Humor nicht verloren hatte, obwohl ich in dieser Situation war.
Und sie hatte recht. Ab dem ersten Tag der Erkrankung war ich immer positiv eingestellt und verbreitete auch gute Stimmung, ohne dabei den Ernst der Lage zu ignorieren. An dieser Stelle wieder einmal ein guter Rat an euch alle:
„Bitte macht öfter mal einen Schritt zurück und betrachtet das Bild als Ganzes.“
Liebe Miriam, sorry dass ich dich da kurzzeitig falsch interpretiert hatte. Du, Adnan und der Kleine seid ein wichtiger Bestandteil in unserem Leben und die gemeinsame New York-Reise holen wir noch nach.
Jetzt wollte ich euch allen noch einen kleinen Zwischenstand meines Befindens geben. Also der Alte bin ich noch nicht – mit der Betonung auf noch! Meine Doppelbilder haben sich verbessert, wie ihr schon lesen konntet und auch die Sensibilitätsstörungen haben sich zum großen Teil verflüchtigt. Der Fuß und besonders der große Zeh zicken noch ein wenig herum. Und wenn das Wetter verrückt spielt, kann es schon mal sein, dass das alles wieder ein wenig schlechter wird.
Kopfschmerzen habe ich – aber das hat man mir im Krankenhaus ja auch bereits gesagt, dass mich das mal ein wenig begleiten wird. Auch der Kreislauf ist nicht so top, aber das kann auch davon kommen, dass ich zur Zeit halt keinen Sport mache, denn ich muss mich bis zur Bestrahlung, falls eine notwendig sein wird, schonen – so die Ärzte. Und da es sich ja nicht um Jahre handelt, sondern jetzt noch um zwei Monate, halte ich das schon aus.
Meinen Humor hab ich noch und ich bin glücklich. Ich habe liebe Menschen um mich herum und strotze vor Lebensmut … also immer weiter positiv … wird schon werden.